Des Liebsten Zweiffel und schmerzhaffte That
Friedrich
Hört ich nicht Gerlinden schreyn?
Was muß ihr geschehen seyn?
Hätt ein Bienleyn sie gestochen?
Hätt ein Unflath sie gerochen?
Brach sie sich etwan ein Beyn?
Stieß ihrn Fuß sie an eym Stein?
Welches Leyden sie auch quälet:
Wann Sies mir nur gleich erzählet /
bin getröstet ich und froh
(tritt vor / um leichten Fußes über das queer seyns Weeges da liegende Bächleyn zu hüpffen; bleibet jedoch wie von ohngefähr mit seym Fuße in einer Wurzel hangen / wodruff beherzt fürder schlaget unnd in den Fluthen fürst erste versincket. Seyn Bogen treibet nach gehabtem Mißgeschicke von dannen. Wie nach einiger Weille wieder sich emporgewunden unnd zwar tropfnaß / an Leyb und Leeben jedoch vergnügt / das dißseitige Ufer des Bächleins hätt erklimmet / machet seyn Liedleyn fort – wehmüthiger:)
Ach ! / wie traff das Loos mich roh /
Böse Wurtzel / thätst mich fassen /
Fort müßt ich mein Waffen lassen /
Hin treibt mir der Bogen dort
All meyn Stärcke ißt nun fort.
Müßt demnach / wann was geschehn
Ohne ihn zum Kriege gehn
Weilln ohne des Bogens Seehne
Fliegt der Pfeill nicht von alleene.
Sullt nachhero für Gerlinden
Eyne andre Brustwehr finden /
Ihr zum Schirm / sie zu beschützen /
Müßte mir was andres nützen.
Noch hör ich ihrn Klaageruhf /
Der mir itzt und Sorge schuf.
Werd nun eilen / werde retten
Sie von dißen Unglücksstätten.
(tritt wie von ohngefähr gegen eyn seines Weeges darliegenden Stein; auffschreiyend:)
Weh !/ Es dringt der Schmertz in mich /
Pein unnd Leyd wie fürchterlich /
Dort am Ende meines Beins.
Nicht genugsam meines Schreins
Kann ich thun hier an der Saahlen /
Zu bejammern meine Quaalen.
Scheußlich ist mir diße Prelle /
Unnd der Zeh schwillt / ach! / wie schnelle.
Fort muß hinken wie ein Uncken /
Sullt meyn Fuß inns Bächlein tuncken /
Doch Gerlindens Hülffeschrey
Müßet mir Elendem eyn
Fackel unnd eyn Wegweiß seyn /
Daß ich nur baldt bey ihr sey.
(klaubet den Stein / darvon seyn schmertzlich Leyden herstammet / auff / sich mit ihm herzurichten unnd auffs Ärgste gefaßet zu machen; strebet allsdann zur Brombeerhecken / darinnen ehedem der Faun gestecket; hinckend. Blicket demnach durch die stachlichten Zweigleyn unnd siehet Gerlinden in bleicher Furcht / deme Faun mit schwachen Kräfften trotzen / wo beynahe schon vollen Endes erlahmet seynd. Dem seyn gewaltiches Blaasen und Locken kann kaum noch ertraagen.)
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